
Evgeny Yudin
Autor
Qualifikation: International Health Access Consultant
Position: Founder of Pillintrip.com
Unternehmen: Pillintrip.com – International Health and Travel
Sich als Geflüchteter oder Asylsuchender in den Gesundheitssystemen der Europäischen Union zurechtzufinden, kann eine große Herausforderung sein. Angesichts von 27 verschiedenen nationalen Gesundheitssystemen, die alle unter EU-Recht operieren, sind zuverlässige und aktuelle Informationen unerlässlich, um die eigenen medizinischen Rechte zu verstehen und die passende Versorgung zu erhalten. Dieser umfassende Leitfaden liefert wesentliche Informationen über den Zugang zur Gesundheitsversorgung für Geflüchtete in den EU-Mitgliedstaaten, basierend auf den neuesten Reformen des EU-Migrations- und Asylpakts von 2024 und den realen Erfahrungen von Geflüchteten, die derzeit in Europa leben.
Ihre Rechte auf Gesundheitsversorgung als Geflüchtete/r in der EU
Die Europäische Union garantiert allen Asylsuchenden und Geflüchteten durch die Aufnahmerichtlinie Mindeststandards in der Gesundheitsversorgung. Die tatsächlich verfügbaren medizinischen Leistungen unterscheiden sich jedoch erheblich von Land zu Land. Nach aktuellen Daten von Eurostat wurden im Jahr 2024 in den EU-Ländern rund 2,3 Millionen Asylanträge gestellt, was den Zugang zur Gesundheitsversorgung zu einem entscheidenden Thema für Millionen von Menschen macht.
Wichtige Gesundheitsrechte nach EU-Recht
Jeder Asylsuchende in der EU hat Anspruch auf:
- Medizinische Notfallversorgung und -behandlung
- Notwendige Behandlung von Krankheiten
- Erforderliche psychische Gesundheitsversorgung
- Medizinische oder sonstige Hilfe für Menschen mit besonderen Bedürfnissen
Laut dem Glossar zu Migration der Europäischen Kommission erhalten anerkannte Geflüchtete in der Regel den gleichen Zugang zur Gesundheitsversorgung wie EU-Bürger in ihrem Aufnahmeland. Asylsuchende haben jedoch während ihres Antragsverfahrens oft nur eingeschränkten Zugang, der sich typischerweise auf Notfallversorgung und Grundbehandlung beschränkt.
EU-Länder im Vergleich: Zugang zur Gesundheitsversorgung für Geflüchtete

Basierend auf umfassenden Recherchen, die Gesundheitspolitik, Zugänglichkeit und reale Erfahrungen von Geflüchteten analysieren, ergibt sich folgender Vergleich der EU-Länder:
|
Land |
Umfang der Versorgung |
Wartezeit |
Besondere Leistungen |
Gesamtbewertung |
|
Niederlande |
Volle Deckung ab Tag 1 |
Keine |
Psych. Gesundheit, Zahn-, chron. Versorgung |
⭐⭐⭐⭐⭐ |
|
Belgien |
Umfassende Deckung |
Keine |
Voller Zugang zu Fachärzten |
⭐⭐⭐⭐⭐ |
|
Schweden |
Voll für Kinder, Basis für Erwachsene |
Keine |
Starke psych. Gesundheitsunterstützung |
⭐⭐⭐⭐ |
|
Deutschland |
Anfangs begrenzt, voll nach 18-36 Mon. |
18-36 Monate |
Regionale Unterschiede |
⭐⭐⭐ |
|
Frankreich |
Grundversorgung mit Hürden |
Variabel |
Begrenzte psych. Versorgung |
⭐⭐⭐ |
|
Österreich |
Mäßige Deckung |
Variabel |
Administrative Hürden |
⭐⭐⭐ |
|
Dänemark |
Nur Notfälle |
Strenge Kriterien |
Sehr begrenzt |
⭐⭐ |
|
Ungarn |
Minimale Deckung |
Erheblich |
Starke Einschränkungen |
⭐ |
|
Bulgarien |
Durch Infrastruktur begrenzt |
Variabel |
Ärztemangel |
⭐ |
Dieses Video der WHO Europa zeigt ein konkretes Beispiel für die praktische Umsetzung der Gesundheitsversorgung für Geflüchtete in Estland. Im Gegensatz zu theoretischen Ansätzen werden hier Lösungen aus der Praxis vorgestellt: wie Gesundheitsmediatoren arbeiten, welche Hürden beim Zugang zur Gesundheitsversorgung bestehen und wie Länder ihre Gesundheitssysteme für Geflüchtete anpassen. Besonders wertvoll ist die Darstellung von Programmen zur psychischen Gesundheitsförderung für ukrainische Geflüchtete und die Rolle der kulturellen Kompetenz bei den Mitarbeitern im Gesundheitswesen. Das Video ergänzt die praktischen Informationen aus dem Artikel durch lebendige Beispiele, wie europäische Länder den Zugang zur Gesundheitsversorgung für Geflüchtete tatsächlich sicherstellen und zeigt dabei nicht nur die Verfahren, sondern auch die menschliche Seite dieser Arbeit.
Schritt-für-Schritt-Anleitung zum Zugang zur Gesundheitsversorgung
1. Medizinische Erstuntersuchung
Bei der Ankunft führen die meisten EU-Länder eine verpflichtende Gesundheitsuntersuchung durch. Diese umfasst in der Regel:
- Tuberkulosetest
- Allgemeine Gesundheitsprüfung
- Überprüfung des Impfstatus
- Beurteilung der psychischen Gesundheit (in einigen Ländern)
2. Registrierungsprozess
Um einen dauerhaften Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erhalten:
- Melden Sie sich umgehend bei den örtlichen Behörden
- Besorgen Sie sich Ihre Dokumente als Asylsuchender
- Beantragen Sie eine Krankenversicherungskarte oder einen Behandlungsschein
- Suchen Sie einen Hausarzt vor Ort und registrieren Sie sich bei ihm
3. Medizinische Notfallversorgung
Notfallversorgung ist in allen EU-Ländern unabhängig vom Status verfügbar. Wenn Sie dringende Hilfe benötigen:
- Rufen Sie die 112 an (offizielle EU-Notrufnummer)
- Gehen Sie zur Notaufnahme des nächstgelegenen Krankenhauses
- Bringen Sie alle Ausweisdokumente mit, die Sie haben
- Bitten Sie bei Bedarf um einen Dolmetscher
4. Zugang zur regulären Gesundheitsversorgung
Für nicht-notfallmäßige medizinische Bedürfnisse:
- Kontaktieren Sie zuerst Ihren zugewiesenen Hausarzt
- Holen Sie sich Überweisungen für eine fachärztliche Behandlung
- Nutzen Sie Ihre Krankenversicherungskarte oder Ihren Behandlungsschein
- Bewahren Sie alle medizinischen Unterlagen auf
Angebote zur psychischen Gesundheit für Geflüchtete

Die Unterstützung der psychischen Gesundheit ist von entscheidender Bedeutung. Studien, die in BMC Public Health veröffentlicht wurden, zeigen, dass 31 % der Geflüchteten an PTBS und 20 % an Depressionen leiden. Laut einer Untersuchung im European Journal of Public Health nehmen jedoch nur 10-20 % der Geflüchteten mit psychischen Problemen tatsächlich spezialisierte Dienste in Anspruch.
Verfügbare Ressourcen für die psychische Gesundheit:
- Traumazentren: Spezialisierte Einrichtungen in Deutschland, den Niederlanden und Schweden
- Gemeindepsychiatrische Dienste: In den meisten EU-Ländern über NROs verfügbar
- Peer-Support-Gruppen: Organisiert von Flüchtlingsgemeinschaften
- Teletherapie-Angebote: Zunehmende Verfügbarkeit, insbesondere nach der Pandemie
Die Wartezeiten für eine spezialisierte Traumatherapie können in Ländern wie Deutschland, wo 23 Traumazentren einen geschätzten Bedarf von 250.000 Patienten jährlich versorgen, 6-7 Monate betragen.
Häufige Hürden im Gesundheitswesen überwinden
Sprachbarrieren
Die meisten EU-Länder bieten Dolmetscherdienste für Arzttermine an. Wichtige Sätze, die Sie kennen sollten:
- „Ich brauche einen Dolmetscher“
- „Ich verstehe nicht“
- „Bitte schreiben Sie das auf“
Fragen Sie bei der Terminbuchung nach Dolmetscherdiensten, um deren Verfügbarkeit sicherzustellen.
Administrative Herausforderungen
Häufige Probleme sind:
- Komplexe Anmeldeverfahren
- Unterschiedliche regionale Regelungen
- Unklare Anspruchsvoraussetzungen
- Lange Wartezeiten
Lösung: Wenden Sie sich an lokale Flüchtlingshilfsorganisationen, die Sie durch den Prozess führen können.
Kulturelle Unterschiede
Gesundheitssysteme können anders funktionieren als in Ihrem Heimatland. Wichtige Anpassungen:
- Terminsysteme (immer im Voraus buchen)
- Überweisungspflicht vom Hausarzt zum Facharzt
- Abläufe bei der Rezeptverschreibung
- Patientenrechte und Einwilligung
Besondere Aspekte der Gesundheitsversorgung

Frauengesundheit und Schwangerschaftsvorsorge
Schwangere Asylsuchende erhalten in den meisten EU-Ländern eine umfassende Betreuung, einschließlich:
- Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft
- Geburtshilfliche Versorgung
- Nachsorge
- Angebote zur Familienplanung
Gesundheitsversorgung für Kinder
Minderjährige erhalten in der Regel vollen Zugang zur Gesundheitsversorgung, unabhängig von ihrem Status, einschließlich:
- Impfungen
- Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen
- Zahnärztliche Versorgung
- Unterstützung der psychischen Gesundheit
- Hilfen bei besonderem Förderbedarf
Umgang mit chronischen Krankheiten
Der Umgang mit Erkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck kann eine Herausforderung sein. Tipps für eine kontinuierliche Versorgung:
- Bringen Sie medizinische Unterlagen mit, die ins Englische übersetzt sind
- Bitten Sie um einen ausreichenden Vorrat an Medikamenten
- Registrieren Sie sich sofort bei einem Hausarzt
- Treten Sie krankheitsspezifischen Selbsthilfegruppen bei
Unterstützungsorganisationen und Ressourcen
Internationale Organisationen
- UNHCR: Regionalbüros setzen sich für den Zugang zur Gesundheitsversorgung ein
- Rotes Kreuz: Medizinische Hilfe und Kulturvermittlung
- Ärzte ohne Grenzen: Medizinische Nothilfe
Nationale Unterstützungsnetzwerke
Jedes EU-Land hat spezifische Organisationen, die Geflüchteten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung helfen:
- Niederlande: GGD (Kommunale Gesundheitsdienste)
- Deutschland: Netzwerke für die Gesundheit von Geflüchteten
- Frankreich: COMEDE (Gesundheitskomitee für Exilanten)
- Belgien: Medizinische Dienste von Fedasil
Praktische Tipps für Geflüchtete und Asylsuchende
- Dokumentieren Sie alles: Bewahren Sie Kopien aller medizinischen Unterlagen, Rezepte und Termine auf.
- Lernen Sie das System kennen: Verstehen Sie, wie die Gesundheitsversorgung in Ihrem Aufnahmeland funktioniert.
- Bauen Sie Netzwerke auf: Vernetzen Sie sich mit anderen Geflüchteten, die Erfahrungen teilen können.
- Kennen Sie Ihre Rechte: Sie haben in der gesamten EU Anspruch auf Notfallversorgung.
- Suchen Sie Unterstützung: Zögern Sie nicht, NROs um Hilfe bei der Navigation durch das System zu bitten.
Zukunftsaussichten und aktuelle Änderungen

Der EU-Migrations- und Asylpakt von 2024 hat wichtige Reformen eingeführt, die den Zugang zur Gesundheitsversorgung betreffen. Während auf EU-Ebene Mindeststandards festgelegt sind, ist die Umsetzung sehr unterschiedlich. Der Erfolg dieser neuen Rahmenbedingungen hängt von einer effektiven Umsetzung durch die Mitgliedstaaten und einem kontinuierlichen Engagement für eine umfassende Gesundheitsversorgung ab.
Fazit
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist ein Grundrecht und entscheidend für eine erfolgreiche Integration. Auch wenn es Herausforderungen gibt, können das Verständnis des Systems und das Wissen, wo man Unterstützung findet, Ihre Erfahrungen mit der Gesundheitsversorgung in Europa erheblich verbessern. Denken Sie daran, dass eine Notfallversorgung immer verfügbar ist und es zahlreiche Organisationen gibt, die Ihnen helfen, sich in diesen komplexen Systemen zurechtzufinden.
Egal, ob Sie neu angekommen sind oder schon länger auf Ihre Asylentscheidung warten, dieser Leitfaden bietet die notwendigen Informationen, um Zugang zu Gesundheitsdiensten zu erhalten. Bleiben Sie über Ihre Rechte informiert, vernetzen Sie sich mit Unterstützungsorganisationen und zögern Sie nicht, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Sie sie benötigen. Ihre Gesundheit ist wichtig, und es gibt Ressourcen, die Ihnen helfen, die Versorgung zu erhalten, die Ihnen zusteht.
Offizielle Ressourcen und hilfreiche Links
Ressourcen auf EU-Ebene
- Europäische Kommission – Asyl in der EU: https://home-affairs.ec.europa.eu/policies/migration-and-asylum/asylum-eu_en
- EU-Aufnahmerichtlinie: https://home-affairs.ec.europa.eu/policies/migration-and-asylum/common-european-asylum-system/reception-conditions_en
- Glossar des Europäischen Migrationsnetzwerks: https://home-affairs.ec.europa.eu/networks/european-migration-network-emn/emn-asylum-and-migration-glossary_en
- AIDA (Informationsdatenbank zu Asyl): https://asylumineurope.org/
Internationale Organisationen
- UNHCR Europa: https://www.unhcr.org/about-unhcr/where-we-work/europe
- WHO Europa – Gesundheit von Geflüchteten und Migranten: https://www.who.int/europe/health-topics/refugee-and-migrant-health
- Internationale Organisation für Migration (IOM): https://www.iom.int/
- Europäischer Rat für Flüchtlinge und Vertriebene (ECRE): https://ecre.org/
Länderspezifische Ressourcen
- Niederlande – Medizinische Versorgung durch COA: https://www.coa.nl/en/medical-care-asylum-seekers
- Deutschland – Gesundheitsinformationen des BAMF: https://www.bamf.de/EN/Themen/AsylFluechtlingsschutz/asylfluechtlingsschutz-node.html
- Frankreich – OFPRA: https://www.ofpra.gouv.fr/en
- Belgien – Fedasil: https://www.fedasil.be/en
- Schweden – Migrationsverket: https://www.migrationsverket.se/English/
Unterstützungsorganisationen im Gesundheitswesen
- Büro des Roten Kreuzes bei der EU: https://redcross.eu/
- Ärzte ohne Grenzen: https://www.msf.org/
- Ärzte der Welt (Médecins du Monde): https://www.medecinsdumonde.org/en
- Health for Undocumented Migrants (HUMA): https://www.humanrightsinhealthcare.org/
Ressourcen zur psychischen Gesundheit
- Mental Health Europe: https://www.mhe-sme.org/
- PROTECT-Projekt (Psychische Gesundheit): https://protect-able.eu/
- Ressourcen zur psychischen Gesundheit von Geflüchteten: https://www.unhcr.org/what-we-do/protect-human-rights/public-health/mental-health-and-psychosocial-support
Notfallkontakte
- EU-weiter Notruf: 112
- Informationen zur Europäischen Krankenversicherungskarte: https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=559
Dieser Leitfaden basiert auf verifizierten Informationen von EU-Institutionen, UNHCR-Berichten und wissenschaftlicher Forschung mit Stand Januar 2025. Die Gesundheitspolitik kann sich ändern, überprüfen Sie daher immer die aktuellen Vorschriften bei den örtlichen Behörden oder Unterstützungsorganisationen. Letzte Aktualisierung: Januar 2025.
