
Evgeny Yudin
Autor
Qualifikation: International Health Access Consultant
Position: Founder of Pillintrip.com
Unternehmen: Pillintrip.com – International Health and Travel

Einleitung
Im Jahr 2022 starben in Gambia über 70 Kinder nach der Einnahme von Hustensaft, der mit Diethylenglykol (DEG) und Ethylenglykol (EG) verunreinigt war. Ähnliche Tragödien ereigneten sich in Usbekistan, Nigeria und Panama in den letzten Jahrzehnten. Das ist kein Einzelfall, sondern ein Warnsignal: Einige Medikamente im Ausland sind nicht sicher, selbst wenn die Verpackung makellos aussieht und die Apotheke seriös erscheint. Einen Überblick über dieses globale Problem bietet die WHO in einem frei zugänglichen Artikel zu minderwertigen und gefälschten Arzneimitteln (etwa 1 von 10 in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen) — wir gehen später nochmal darauf ein: WHO-Analyse.
Dieser Leitfaden erklärt mit klaren Worten, welche Medikamente Sie im Ausland nie kaufen sollten, wie Sie Fälschungen erkennen, auf welche Symptome Sie achten sollten und wie Sie im Notfall richtig reagieren. Wir bleiben praktisch, reisetauglich und richten uns auf Entscheidungen, die Sie heute schon treffen können.
Die verborgene Gefahr: Verunreinigte und gefälschte Medikamente
Lassen Sie uns die Begriffe vereinfachen:
- Gefälschte Medikamente: Produkte, die vorgeben, echt zu sein, es aber nicht sind. Sie kopieren oftmals Markennamen und das Verpackungsdesign, enthalten aber die falschen oder sogar toxische Inhaltsstoffe.
- Minderwertige Medikamente: Sie werden von zugelassenen Firmen hergestellt, entsprechen aber wegen schlechter Produktion oder Lagerung nicht den Standards.
Beide können durch falsche Dosierung, fehlenden Wirkstoff, toxische Verunreinigungen (wie DEG/EG) oder Bakterien Schaden anrichten. Die Daten der WHO zeigen, warum Aufmerksamkeit wichtig ist: WHO-Analyse.
Hier finden Sie gut dokumentierte Vorfälle, bei denen toxische Lösungsmittel sichere Inhaltsstoffe in flüssigen Medikamenten ersetzt haben:
|
Jahr |
Land |
Medikamententyp |
Verunreinigung |
Todesfälle |
|
1996 |
Haiti |
Paracetamol-Sirup |
Diethylenglykol |
85 |
|
2006 |
Panama |
Hustensaft |
Diethylenglykol |
219 |
|
2008 |
Nigeria |
Sirup für Zahnungsbeschwerden |
Diethylenglykol |
54 |
|
2022 |
Gambia |
Hustensaft |
DEG/EG |
70 |
|
2022 |
Usbekistan |
Fiebersaft |
DEG |
18 |
Eine kurze Nachrichtenübersicht zu den Reaktionen der Behörden 2023 finden Sie hier: Reuters-Bericht.
Warum Reisende besonders gefährdet sind
- Dringlichkeit: Im Ausland krank zu werden bedeutet oft, möglichst schnell ein Mittel zu suchen – das führt zu riskanten Schnellkäufen.
- Sprachbarrieren: Packungsbeilagen, Warnhinweise und pharmazeutische Beratung sind oft schwer verständlich.
- Ungewohnte Systeme: Gesetzgebung und Kontrolle unterscheiden sich oft stark; nicht jede „Apotheke“ ist wirklich zugelassen.
- Online-Fallen: „Bequeme“ Lieferung oder touristische Geschäfte bieten oft auffällig billige Produkte.
Fazit: Wenn die Lieferkette nicht absolut vertrauenswürdig ist, kaufen Sie besser nichts.
Medikamente, die Sie niemals im Ausland kaufen sollten
Im Folgenden finden Sie die Kategorien mit dem höchsten Risiko auf Reisen. Nehmen Sie diese Arzneimittel besser von Deutschland aus mit.
a) Flüssige Medikamente und Sirupe (höchstes Risiko)
Hustensäfte, flüssiges Paracetamol, Zahnungsdrops. Diese Präparate sind am häufigsten mit DEG/EG-Vergiftungen verbunden. Für Kinder ist das Risiko inakzeptabel. Kaufen Sie keine flüssigen Medikamente im Ausland.
b) Antimalariamittel
In manchen Regionen ist ein erheblicher Anteil der Malariamittel gefälscht oder minderwertig. Ein Therapieversagen kann tödlich sein und die Resistenz fördern. Besorgen Sie Malariamittel unbedingt vor der Abreise in einer deutschen Apotheke.
c) Antibiotika
Werden häufig gefälscht. Eine falsche Dosierung oder fehlende Wirkstoffe können Ihre Infektion verschlimmern – und die Resistenz erhöhen. Nutzen Sie nur Antibiotika, die von einem Arzt verschrieben und in einer deutschen Apotheke ausgegeben werden.
d) Schmerzmittel und Opioide
Gefälschte Schmerzmittel für Touristen (z.B. in Grenz- oder Ferienorten) enthalten mitunter Fentanyl (schon in winzigen Mengen tödlich). Offizielle Warnungen finden Sie bei der FDA: FDA-Leitfaden.
e) Arzneimittel gegen erektile Dysfunktion
Gehören weltweit zu den am häufigsten gefälschten Medikamenten. Unbekannte Inhaltsstoffe und Dosierungen können schwere Herzerkrankungen auslösen. Verzichten Sie auf Käufe in Touristenzonen und im Internet.
f) Krebs-, HIV-/TB- und Herzmedikamente
Diese lebenswichtigen Arzneimittel müssen echt und korrekt gelagert sein. Fälschungen führen zu schnellem Krankheitsverlauf oder bedrohlichen Krisen. Gehen Sie mit solchen Medikamenten im Ausland niemals ein Risiko ein.
g) Impfstoffe und Injektionen außerhalb medizinischer Einrichtungen
Gefälschte Impfstoffe und nicht sterile Injektionen können Infektionen verursachen und bieten keinen Schutz. Lassen Sie sich nur in zugelassenen Kliniken/Arztpraxen impfen.
Wie Sie Probleme erkennen (Schnelltest)

Sie können im Urlaub kein Labor benutzen, aber Sie können Warnzeichen erkennen:
- Die Verpackung wirkt seltsam: verschwommene Aufdrucke, dünner Karton, uneinheitliche Schriftarten/Farben.
- Fehler auf dem Etikett: Rechtschreibfehler, fehlende Chargennummer/Haltbarkeit, unpassende Daten.
- Ungewöhnliche Optik: Tabletten haben eine andere Farbe/Form als zu Hause; sie zerbröseln oder sind klebrig; Flüssigkeiten trennen sich und vermischen sich auch beim Schütteln nicht.
- Verdächtiger Preis oder Zugang: deutlich billiger als üblich; rezeptpflichtige Medikamente werden ohne Rezept angeboten.
Für eine praktische Checkliste finden Sie die CDC-Empfehlungen für Reisende hier: CDC-Leitfaden zu gefälschten Medikamenten.
Symptome einer Medikamentenvergiftung (darauf achten)
DEG/EG-Vergiftung (durch kontaminierte Flüssigkeiten): Symptome können innerhalb von 1 bis 7 Tagen auftreten.
- Nierenschädigung: wenig oder kein Urin, Schwellungen, starke Erschöpfung.
- Magen-Darm-Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen.
- Stoffwechselzeichen: schnelle Atmung, Verwirrtheit (durch Azidose).
- Neurologische Symptome (schwere Fälle): Schwäche, fehlende Reflexe, Sehstörungen, Koma.
Andere gefälschte/verunreinigte Produkte:
- Behandlung schlägt nicht an, Beschwerden verschlimmern sich.
- Ungewöhnliche Nebenwirkungen oder allergische Reaktionen.
- Anzeichen einer Überdosierung trotz „korrekter“ Einnahme.
Für medizinisch fundierte Informationen zu toxischen Risiken auf Reisen empfiehlt sich das CDC Yellow Book: CDC Yellow Book – toxische Risiken auf Reisen.
Sicher einkaufen (wenn Sie im Ausland kaufen müssen)
Wenn Sie nicht vermeiden können, Medikamente im Ausland zu kaufen, befolgen Sie diesen einfachen, aber strengen Plan:
Wo kaufen:
- Bevorzugen Sie Krankenhaus- oder öffentliche Apotheken; ansonsten große bekannte Ketten.
- Meiden Sie Touristenshops, Märkte, Straßenhändler und unzuverlässige Liefer-Apps.
Wie prüfen:
- Packung/Blister kontrollieren: Chargennummer, Haltbarkeit, Herstellerinfos.
- Vergleichen Sie Größe/Form/Farbe mit bekannten Präparaten (falls Sie dieselbe Marke zu Hause nutzen).
- Verlangen Sie einen Kassenbon mit vollständigen Apotheken-Angaben.
- Bei schlechten Gefühlen (Preis, Optik, Geschichte) – nicht kaufen.
Lagerung und Umgang:
- Hitze und Feuchtigkeit können Medikamente ruinieren. Bewahren Sie sie kühl und trocken auf; Handschuhfach und sonnige Fenster meiden.
- Flüssigkeiten sind besonders empfindlich: Kaufen Sie sie möglichst nicht im Ausland; falls unvermeidlich, achten Sie auf Hospital-Quellen – aber am sichersten ist der Verzicht.
Notfall:
-
Wenn Sie unsicher sind, welche Medikamente vor Ort sicher sind, wenden Sie sich an Botschaft/Konsulat für seriöse Empfehlungen. Grundregeln für die Mitnahme eigener deutscher Medikamente finden Sie hier: CDC-Tipps für Medikamente auf Reisen.

Packen Sie das stattdessen ein (Vorsorge-Checkliste)
Nutzen Sie diese Liste vor der Reise, um riskante Spontankäufe zu vermeiden:
- Ihre regulären Medikamente für die gesamte Reisedauer + 1–2 Wochen Reserve für Verzögerungen.
- Schmerz-/Fiebertabletten in fester Form (aus Deutschland, versiegelt, gekennzeichnet).
- Antidiarrhoika und orale Elektrolytlösungen als Pulver/Päckchen.
- Antihistaminika für Allergien.
- Ausgedruckte Medikamentenliste (Wirkstoffe, Dosierungen) und ärztliche Bescheinigung für den Zoll.
- Tablettenorganizer und Zipbeutel, damit die Medikamente trocken und getrennt bleiben.
Für Familien: Packen Sie für Kinder möglichst feste Darreichungsformen (z.B. lösliche Tabletten), die Ihnen Ihr Arzt in Deutschland verschreibt, um Auslandskäufe flüssiger Präparate zu vermeiden.
Regionen mit erhöhtem Risiko (kurzer Überblick)
Risiko gibt es weltweit, besondere Vorsicht gilt jedoch:
- Teile von West- und Zentralafrika, Süd-/Südostasien und Lateinamerika, wo die Überwachung schwankt und Straßenverkauf üblich ist.
- Grenz- und Touristengebiete, wo gefälschte Schmerzmittel und ED-Präparate gezielt an Reisende verkauft werden.
- Online-Marktplätze mit grenzüberschreitender Lieferung und zweifelhaften Quellen.
Hinweis: In Ländern mit hohem Einkommen ist der Anteil gefälschter Medikamente deutlich geringer, steigt aber bei Einkäufen von nicht verifizierten Online-Anbietern wieder an. Für eine globale Übersicht und Definitionen siehe WHO-Analyse.
Was tun bei Verdacht (Schritt für Schritt)

- Setzen Sie das Medikament sofort ab.
- Suchen Sie schnellstmöglich einen Arzt auf. Nehmen Sie Verpackung, Bon und eine Liste aller Dosen mit.
- Heben Sie den Rest des Medikaments zur Untersuchung auf (nicht entsorgen).
- Melden Sie den Fall bei den lokalen Gesundheitsbehörden und Ihrer Botschaft/Ihrem Konsulat.
- Bei schwerer Vergiftung kann eine spezifische Behandlung nötig sein (z.B. Fomepizol und Dialyse bei DEG/EG). Einen kompakten Überblick zu Risiken und Meldewegen für Reisende gibt es im CDC-Leitfaden: CDC-Leitfaden zu gefälschten Medikamenten.
Kurzüberblick: Die „Im Ausland nie kaufen“-Liste
- Flüssige Arzneimittel/Sirupe (besonders für Kinder)
- Antimalariamittel (in Deutschland besorgen)
- Antibiotika (nur mit Rezept, in Apotheke)
- Opioide und starke Schmerzmittel aus Touristengebieten
- ED-Medikamente aus nicht zugelassenen Quellen
- Krebs-, HIV/TB-, Herzmedikamente außerhalb verlässlicher Lieferketten
- Impfstoffe/Injektionen außerhalb medizinischer Einrichtungen
Drucken oder speichern Sie diese Liste im Handy.
Fazit
Die meisten Reisetage verlaufen gesund und problemlos. Doch im Krankheitsfall gilt meistens: Nutzen Sie Medikamente, die Sie aus Deutschland mitgebracht haben, und wenn Sie im Ausland kaufen müssen, dann nur in zugelassenen Apotheken nach gründlicher Prüfung.
Echte Tragödien – wie die Hustenmittel-Katastrophe in Gambia – zeigen, dass eine einzige fehlerhafte Packung alles ändern kann. Seien Sie vorsichtig, planen Sie voraus und teilen Sie diesen Leitfaden mit Ihren Reisebegleitern.

